Wassersport und seine Risikenpdf

(aus Heft 2/2013)


Vermeidung gesundheitlicher Gefahren – ein Fachbeitrag von
Dr. Christoph Raschka


Dr. Raschka

1. Anliegen

In diesem Beitrag sollen mögliche gesundheitliche Gefährdungen durch Wassersport, wie sie auf Ausflügen und Klassenfahrten häufig auftreten können, eruiert werden. Die Identifizierung des Risikopotentials führt meist schon zu seiner Minimierung im Sinne einer Primärprävention. Dabei hat der Autor, der auch seit vielen Jahren als Notarzt im Einsatz ist, drei typische Gefahrensituationen herausgegriffen, denen man häufig begegnet:

2. Fokus Nr. 1: Schnorcheln

Wer kennt nicht die typische Szene aus einem Wildwest- oder Abenteuerfilm. Um sich an feindliche Indianer oder Eingeborene heranzuschleichen oder sich vor ihnen zu verbergen, greift der Held des Films in Urwald oder Prärie gerne zu unphysiologischen Praktiken, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so gefährlich erscheinen mögen, in der Anwendung durch spielende Kinder aber fatal enden können:
So schneidet der Filmheld einfach ein mindestens 1 m langes Stück Schilfrohr ab, um über dieses – manchmal bis zu seiner unfreiwilligen Entdeckung – geschützt vor den Augen des Feindes tief genug so lange unter der Wasseroberfläche verbleiben zu können, bis sich die Feinde verzogen haben.

Spielende Kinder können nach der Lektüre entsprechender Abenteuerbücher oder dem Konsum analoger Filme oder Comics leicht zum Nachahmen verleitet werden, wenn sich die entsprechende Gelegenheit dazu bietet. Die beste vorbeugende Maßnahme ist die Aufklärung über das Risiko entsprechender Aktivitäten.

Doch wodurch entsteht die Gefahr für die Gesundheit ?
Über das Atemrohr sind der Lungeninnenraum und die Luft an der Wasseroberfläche unmittelbar miteinander verbunden, so dass in der Lunge der atmosphärische Druck (ca. 1 bar) vorherrscht. Auf der Haut des Tauchenden lastet aber neben dem Luftdruck noch zusätzlich der Druck der Wassersäule. Nur 10 m Wassersäule üben aber nahezu den gleichen Druck aus wie das gesamte Gewicht der Lufthülle der Erde. Dies relativiert sich in Abhängigkeit von der Entfernung zur Wasseroberfläche. Bei einer üblichen Schnorchellänge von 35 cm, wie sie gerne von Tauchern verwendet wird, errechnet sich so ein Gesamtdruck in dieser geringen Tiefe von ca. 1,035 bar, der vom Körper noch kompensiert wird. Trotzdem wird auch hierbei schon Blut aus den Hautgefäßen in die zentralen Kreislaufabschnitte verschoben.

Für die Kinder lässt sich dies am besten nachvollziehen, wenn man sie auffordert, beim Eintauchen in brusthohes Wasser oder in eine Badewanne einmal ihre Venenzeichnung an den Händen und Armen zu beobachten. Während die Venen an der Oberfläche noch gut zu erkennen sind, verschwinden sie bei Gesunden unmittelbar mit dem Eintauchen in das Wasser.

Wird die übliche Länge eines Schnorchels von 35 cm aber überschritten, so nimmt das Druckgefälle zwischen dem Wasserdruck an der Haut und dem Druck im Lungeninnenraum, der ja dem Druck an der Wasseroberfläche entspricht, gefährlich zu. Das Blut verlagert sich aus den Hautvenen, die aufgrund des höheren Drucks durch die Wassersäule dann auch nicht mehr sichtbar sind, in die Kreislaufabschnitte des Brustkorbs, wo der geringere atmosphärische Druck der Wasseroberfläche herrscht. Aufgrund der starken Blutfüllung der rechten Herzkammer und der Lungengefäße, kann Flüssigkeit in die Lungenbläschen austreten, was von Klinikern als Lungenödem bezeichnet wird. Gelegentlich wird für dieses Phänomen auch der Begriff des Inneren Blaukommens verwendet.

Ein weiteres Problem stellt auch die Ermüdung der Atemmuskulatur dar, die ja den Brustkorb gegen den Druck der auf ihm lastenden Wassersäule zum Luftholen erweitern soll. In einem Meter Tiefe ist das bereits nicht mehr möglich.

Zum dritten vergrößert das Atemrohr auch den Totraum der Luftwege, was eine Reduktion der Frischluftzufuhr zu den Lungenbläschen bewirkt. Als Folge sinkt die Sauerstoffsättigung. Das Kohlendioxid kann nicht mehr entsprechend abgeatmet werden und ein Sauerstoffmangel des Gehirns droht.

Die Konstruktion gängiger Schnorchel beruht daher auf einer Höchstlänge von 35 cm bei einem Innendurchmesser von zwei Zentimetern. Diese Längen dürfen unter keinen Umständen erhöht werden, sonst drohen tödliche Badeunfälle. Mit einer umfassenden Aufklärung kann diese Gefahr jedoch weitgehend gebannt werden.

3. Fokus Nr. 2: Streckentauchen

Kinder vergleichen sich gerne im Schwimmbad, wer am längsten die Luft anhalten und damit am weitesten tauchen kann. Gerade hierdurch drohen Gefahren, die selbst Erfahrenen zum Verhängnis werden können, wie der plötzliche Todesfall eines bekannten Meisters in dieser Disziplin beim Solotraining vor einigen Jahren sehr eindrucksvoll belegt. Immerhin liegt der Weltrekord bei über 8 Minuten. Zeiten über 40 Sekunden sind aber in der Regel kaum anzutreffen. Das bewusste willkürliche Atemanhalten wird in der sportmedizinischen Fachsprache auch als Apnoe bezeichnet.

Einen besonderen Risikofaktor bildet das mehrfache tiefe und schnelle Ein- und Ausatmen, das in der Fachsprache auch als Hyperventilieren bezeichnet wird. Auf diese Weise wird Kohlendioxid vermehrt abgeatmet. Es entfällt damit aber auch ein für das Atemzentrum entscheidender Reiz. Entgegen weit verbreiteter Annahme wird aber der Sauerstoffgehalt des Blutes nicht entscheidend verbessert.

Das Risiko der Hyperventilation besteht dahingehend, dass erst nach längerer Zeit das für den Atemantrieb entscheidende Kohlendioxid wieder ansteigt. Der Sauerstoffmangel stellt auf der anderen Seite nur einen geringen Anreiz zum Atmen dar. Da der Taucher nicht atmet und auch noch durch die Muskelarbeit Sauerstoff verbraucht, fällt der Sauerstoffgehalt aber weiter und führt zu einer Sauerstoffmangelsituation des Gehirns. Dies leitet dann eine Bewusstseinstrübung und einen Bewusstseinsverlust ein, was auch schließlich zum Ertrinken führen kann. Diese Konstellation nennt man auch den Schwimmbad-Blackout. Ursache ist aber eine Täuschung des Reglers, da die kritische Marke für den Kohlendioxidgehalt bewusst durch die gefährliche Hyperventilation getäuscht worden war.

Daneben kommt es durch die Hyperventilation aber ebenfalls zu einer Abnahme der Wasserstoffionenkonzentration im Blut und damit zu einem pH-Anstieg (Alkalose), die Muskelkrämpfe verursachen kann, welche durch die Kälte des Wassers noch verstärkt werden. Auch diese Wirkung kann fatale Konsequenzen nach sich ziehen, wenn das rettende Ufer allzu weit entfernt liegt.

Als Fazit sollten die Kinder immer darauf achten, dass höchstens zwei bis drei tiefe Atemzüge vor dem Tauchversuch ohne Gefahr durchgeführt werden dürfen und Tauchversuche auch nur unter Sichtkontrolle eines erfahrenen Schwimmers erlaubt sein sollten.

4. Fokus Nr. 3: Temperaturregulation im Wasser

Kleinen „Wasserratten“ ist es in der Regel nicht geläufig, dass die Wärmeleitfähigkeit des Wassers etwa um den Faktor 25 die der Luft übertrifft, was erhebliche Wärmeverluste nach sich ziehen kann. Vor allem die Kinder mit ihrer relativ großen Körperoberfläche in Relation zum Volumen vergleichsweise des Erwachsenen und einem geringeren Wärme dämmenden Unterhautfettgewebe kühlen relativ schnell aus. Als Folge verschlechtert sich die Bewegungskoordination, die ein Erlernen motorischer Formen wie zum Beispiel das Schwimmen minimiert.
Schwimmunterricht sollte deshalb eine Wassertemperatur von 28°C bei Lufttemperaturen von 30°C - 32°C als Voraussetzung haben.

Die aufgeführten Gefährdungspotentiale sollten im Unterricht vor dem Wassersport in Biologie- und Sportstunden angesprochen und entsprechend dargestellt werden. Die gewonnenen Kenntnisse können insgesamt dazu beitragen, Risiken im Wassersport zu erkennen und damit verbundene negative Konsequenzen zu minimieren.

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Autor


Priv.-Doz.
Dr.med. Dr.rer.nat. Dr.Sportwiss.
Christoph Raschka
Facharzt für Innere Medizin – Sportmedizin – Chirotherapie,
Institut für Sportwissenschaften der J.W.Goethe-Universität Frankfurt / Main




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